"Wenn Du spirituell bist, kannst Du nicht sexy, nicht ehrgeizig sein und
keinen Spaß haben. Und genau das ist nicht wahr.“
keinen Spaß haben. Und genau das ist nicht wahr.“
Madonna
Gerade ist das Buch "Integrales Tantra" von Silvio Wirth, der zusammen mit seiner Frau Mara Fricke-Wirth das Institut Secret of Tantra in der Nähe von Berlin leitet, im Phänomen-Verlag erschienen.
Da es - gerade in buddhistischen und spirituellen Kreisen - immer wieder zu Unklarheiten bezüglich des Tantra kommt, nutze ich die Gelegenheit, um den Diplom-Psychologen und Tantralehrer Silvio Wirth einige Fragen zu stellen.
Hallo Silvio, vielleicht magst du ja kurz einmal deine Arbeit vorstellen. Was können wir uns unter einem integralen Tantra vorstellen?
Also ganz allgemein würde ich sagen, dass ein Integraler Tantra ein innerer Weg ist, der sich aus drei Quellen speist:
a. dem hinduistischen tantrischen Yoga
b. dem buddhistischen Tantra-Pfad, wie er im tibetischen Buddhismus noch zu finden ist
c. dem zeitgenössischen westlichen "Neo-Tantra"
In meinem Buch "Integrales Tantra" versuche ich diese Pfade zusammenzufassen, zu beleuchten und aus einer integralen Perspektive zu kommentieren. Integral heißt hier mit Hilfe der umfassenden integralen Theorie, die seit einigen Jahren im Umfeld des amerikanischen Denkers Ken Wilber entwickelt wird.
An der integralen Theorie finde ich bestechend, dass sie eine Zusammenschau verschiedener Wissens-Gebiete hervorbringt und auch geeignet ist die künstliche Trennung zwischen Spiritualität und Wissenschaft zu überwinden. In gewisser Hinsicht vereint der integrale Ansatz die kostbarsten Schätze der östlichen und der westlichen Kulturen.
Ein integraler spiritueller Weg, würde Wilber sagen, fügt dem vormodernen traditionellen spirituell-transformativen Wissen die Perspektiven der Moderne und Postmoderne dazu. Was ist antiker Aberglaube und was ist der trans-rationale Wissenskern einer jeden Tradition? Im Christentum wäre das z.B. die heilige Idee von der Menschwerdung des Göttlichen zu erhalten, während man mythische Vorstellungen wie die unbefleckte Empfängnis nicht wörtlich nehmen muss.
Mit dem Integralen Tantra ist nun ein spirituelles Wissen von hoher Modernität und Aktualität destilliert worden, das Menschen von heute anspricht, und zwar vor allem Menschen, die einen starken Bezug zu ihren Sinnen und zu einem Diesseitigen Leben haben, die aber nicht im Klein-Klein des Alltags stecken bleiben wollen.
Integrales Tantra bedeutet in erster Linie Praxis und folgt dabei den Modulen der Integralen Lebenspraxis, betont also auf ausgewogene Weise körperliche, intellektuelle, meditativ-spirituelle und emotionale Aspekte.
Im Tantra sind auch die Module Sexualität und Beziehungen von besonderem Interesse. Integrales Tantra entwickelt dabei auch eine eigene (Sexual-)Ethik.
Hauptmethoden sind Yoga und Pranayama, Arbeit mit der Kundalini-Energie, Emotionalarbeit und Therapie, Beschäftigung mit tantrischer Philosophie, Meditation, Rituale, Massage und Körperarbeit sowie tantrische Sexualität.
Michael Habecker schreibt ja, dass ihm an deinem Buch die unbedingte Hinwendung zum Leben in allen seinen Formen gefällt. Wie äußert sich diese unbedingte Lebensbejahung konkret in Eurer Arbeit und in Deinem Buch?
Die Tantra-Tradition bricht mit der Idee, dass man sich, um das Seelenheil zu erreichen, von den Sinnen abwenden und die Erleuchtung im Inneren und in der Abgeschiedenheit suchen soll. Ein Tantrika soll vielmehr am Leben mit allen Sinnen und in all seiner Fülle teilnehmen - er/sie soll so vollständig wie möglich dieses Leben und was es bieten kann, erfahren. Die Disziplin im Tantra ist, sich nicht zu verstricken, nicht anzuhaften, nicht in süchtiges Verhalten verfallen. Deswegen muss ich, bevor ich mich auf starke Reize einlasse, für eine gewisse Stabilität in mir sorgen (durch Meditation, Bewusstseinsarbeit, Yoga usw.).
Ich lasse sukzessive, je mehr Substanz ich angesammelt habe, immer mehr zu an Sinnlichkeit, Sexualität, emotionaler Energie, werde also immer vitaler und leidenschaftlicher, nehme immer mehr Anteil an anderen und am Leben; gleichzeitig werde ich durch die Praxis immer präsenter und zentrierter.
Die Teilnehmer unserer Trainings machen die Erfahrung, dass die Arbeit auf ihr Leben einwirkt und dass sie vieles ändern müssen. Auf Dauer wirkt Tantra-Praxis wie eine Wahrheitsdroge und macht es immer unmöglicher, sich existentiell was vorzumachen.
Welchen Vorurteilen begegnest du auf deinem Weg?
Ein beliebtes Vorurteil ist, dass es im Tantra ja immer nur um Sex geht und dass diese Arbeit dem Rotlichtmilieu nahe steht. Nichts könnte falscher sein; Tantra befreit einen immer mehr von solchen Dingen wie dranghafter Sexualität; der Tantrika steht souverän über der Sexulität und nutzt sie zu spiritueller Zwecken oder auch zu seiner Freude, ist dabei aber nicht anhaftend und ethisch gegroundet. Tatsächlich führt Tantra-Praxis zu einer relativ großen Freiheit von traditionellen Konventionen, das ist aber kein Rückfall in eine Vorbewusstheit, sondern ein Fortschritt in eine Über-Bewusstheit.
Viele denken, im Tantra geht es um Sexual- oder Paartherapie; das ist ein Aspekt der Arbeit, der am Anfang vielleicht wichtig ist, echtes Tantra geht aber erst jenseits solcher Stufen los!
Manche Frauen fürchten, dass Tantra zu übergriffen einlädt und meiden diese Settings; dabei hat Tantra zu vielen Dingen einen äußerst weiblichen Zugang: intuitiv und mit allen Sinnen, wobei spontanes Im-Moment-Sein eine wichtige Rolle spielt.
Was erlebe und erfahre ich als Mann/ als Frau in einem Eurer Seminare? An wen konkret richtet sich Euer Angebot?
In unseren Einsteigerseminaren kannst du erfahren, wie diese Frucht schmeckt (es lässt sich in der Tat schlecht erklären) - vielleicht sind es Momente von Ekstase (bliss), die sich draus ergeben, ganz im Einklang mit dem zu sein, was gerade passiert. Auch das Ja-Sagen zur eigenen Sinnlichkeit und Sexualität, das Erleben einer Massage, gefolgt von Yoga und Meditation führt zu ungewöhnlichen Körpergefühlen und Zuständen.
In unseren Trainings und Ausbildungen lernst du, diese Frucht zu kosten und wirklich ganzheitlich zu genießen - dein Körper wird geschmeidiger, den meditatives Bewusstsein wird größer, du fühlst dich freier und mehr im Einklang mit dir selbst und auch den anderen. Sicher, es ist auch eine intensive Selbsterfahrung. Als Fortgeschrittener lernst du eben immer mehr Kundalini-Zustände kennen, du dringst vor zu dieser Freude, die allen Dingen und Momenten innewohnt.
Unser Angebot richtet sich an lebendige und neugierige Menschen, die die Tiefen ihres Lebens noch mehr ausloten wollen. Singles und Paare sind willkommen.
Wo kann ich mich über Eure Arbeit informieren?
Am besten über unsere Webseite www.secret-of-tantra.de oder über unseren Blog www.tantra-blog.de.
In meinem Buch "Integrales Tantra" (www.tantra-integral.de) kann man sich über den geistigen Hintergrund informieren - wobei es im Tantra wirklich sehr zentral um Praxis geht!
Vielen Dank für das Interview!
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